Kurzbericht zum Camino del Norte

von Axel Manthey, Berlin



Am 12.7.2021 flog ich nach Bilbao, um von dort auf den Pilgerweg zu gehen.
Ich hatte mir zuvor per Internet zwei Unterkünfte herausgesucht.


In Bilbao mußte ich feststellen, daß beide Unterkünfte geschlossen waren. Dies war nicht im Internet angegeben.


Diese Erfahrung begleitete mich die nächsten vier Wochen auf meinem Pilgerweg. Praktisch alle staatlichen Unterkünfte waren wegen Corona geschlossen. Dies war nicht immer im Internet vermerkt.


Die wenigen offenen Unterkünfte, private Herbergen, Hostels, Pensionen und Hotels durften nur eingeschränkt Gäste aufnehmen. In der Folgezeit mußte man immer im Voraus eine Unterkunft buchen, was nicht einfach war. Es erwies sich als sehr problematisch. Man mußte auf Hotels oder Pensionen ausweichen, die entsprechend teurer waren.


Auch die Verpflegung war ein Problem, da man praktisch nirgends ein Pilgermenü bekm. Viele Restaurants und Bars waren ebenfalls geschlossen oder ließen nur eine begrenzte Anzahl Gäste zu, so daß man sogar als Einzelperson Probleme hatte einen Platz zu bekommen.  Es gibt auch Lokale, die lassen nur noch geimpfte Personen rein. Auch die Preise in den Unterkünften und Restaurants sind nicht gerade günstig. Man sollte also pro Tag mindestens 50.- Euro an Kosten veranschlagen.


Der überwiegende Teil des Pilgerweges läuft auf asphaltierten Straßen, was doch sehr anstrengend ist. Zudem sind es nicht nur Nebenstraßen, sondern auch „Bundesstraßen“, wo der Verkehr mit 100 km/h an einem vorbei braust. Dies ist nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich, wenn ein LKW mit einem Abstand von 1,5 m an einem vorbei fährt.


Auch haben die Spanier, jetzt in Coronazeiten, das Wandern entdeckt. Die letzten 100 KM vor Santiago sind völlig überlaufen, was die Situation zusätzlich verschärft. In Santiago muß man sich auf mehrstündige Wartezeiten einstellen, wenn man in die Kathedrale möchte. Im Pilgerbüro mußte ich 2 Stunden für eine Wartenummer warten und nochmals 2 Stunden bis ich meine Urkunde bekam.

Auch die Coronamaßnahmen sind teilweise sehr restriktiv, Masken tragen, Abstand, Desinfektion, was ich doch als sehr belastend empfand.


Spanien wurde kurz vor meiner Rückreise zum Hochinzidenzgebiet erklärt. Ich mußte vor dem Rückflug einen Coronatest machen und nach Ankunft in Deutschland in Hausarrest. Auch der Test ist schon problematisch, da es kaum Testcenter gab und schon gesagt wurde, daß auch die wenigen bald schließen. Abschließend möchte ich davon abraten in der jetzigen Zeit auf den Pilgerweg zu gehen.


                                                               Axel Manthey, Berlin, 21.8.2021


                          



WILSNACK WORKSHOP

                              von Dr. Cornelia Oefelein


Die Gruppen-Pilgerwanderungen, die die St.-Jakobus-Gesellschaft Berlin- Brandenburg anbietet, führen im Sommer - zum Fest des hl. Jakobus - entlang eines Teilstücks des internationalen Jakobswegenetztes. In der Fastenzeit pilgern wir von Hennigsdorf nach Wilsnack. Die Idee geht auf eine Initiative von Frau Elisabeth Ladewig zurück, Gründungsmitglied unserer 2006 gegründeten Gesellschaft. Es ist ein Angebot für jene, die Pilgern in einer Gemeinschaft erleben wollen anstatt nur als Einzelpilger unterwegs zu sein. Gleichzeitig dienen diese Gruppenwanderungen als Gelegenheit, des von uns re-installierten und betreuten Abschnitts des Jakobswegs Berlin – Wilsnack vorzustellen. Somit  können wir direkten Kontakt mit Interessierten herstellen und einen Eindruck von unserer Arbeit vermitteln.


Als eine Art „eigenes Markenzeichen“ scheinen sich unsere Wanderungen unter dem Motto „Pilgern in der Fastenzeit“ entwickelt zu haben. Das Konzept wurde 2007 von Frau Ladewig entworfen, die auch von Anfang an die Organisation übernahm. Unterstützt werden sie von der katholischen Kirchengemeinde in Hennigsdorf. Geworben wird auf unserer Homepage, es werden Faltblätter gedruckt und in den Kirchen die zu der Gemeinde Hennigsdorf gehören ausgelegt, das Programm per Email an Interessierte verschickt, und es wird im Gemeindebrief veröffentlicht.

An den Samstagen in der Fastenzeit gehen wir eine ca. 20 km lange Etappe des Wilsnack Wegs, anfangs in sechs Etappen, seit ein paar Jahren aus organisatorischen Gründen in vier. Die Teilnehmer reisen zu dem jeweiligen Startort einer Etappe an; für die Rückfahrt zum Startpunkt sorgt ein Bustransfer.


Der Ablauf dieser Pilgerwanderungen ist immer ähnlich: wir treffen uns und beginnen immer mit einer kleinen Andacht in der Kirche am Start. Wenn ein örtlicher Geistlicher gefunden werden kann (evangelischer oder katholischer Pfarrer oder, wie in Barsikow, Gemeindeältester) – und wenn er auch Zeit hat! –  dann leitet er die Andacht, ansonsten übernimmt das Frau Ladewig. Pilgern kann jeder wie er möchte, allein oder auch im Gespräch mit anderen Teilnehmern. Es ist auch vorgekommen, dass von den Teilnehmern der Wunsch geäußert wurde, ein kurzes Stück schweigend zu pilgern. Bei jeder Kirche unterwegs machen wir eine Picknickpause und besichtigen die Kirche. Ich bin für die Erklärungen der historischen und kunsthistorischen Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten zuständig. Auch am Etappenziel endet die Wanderung wieder mit einer kleinen Andacht in der Kirche. Den Abschluss bildet immer ein gemeinsames Essen in passenden Räumen (meistens) in den Gemeindehäusern – ein warmer Eintopf – der vorbestellt und dorthin geliefert wird (so regelmäßig in Flatow, Wusterhausen, Kyritz und in Bad Wilsnack). Ein Bus bringt dann alle zum Startort zurück von wo aus die Teilnehmer wieder ihre Heimfahrt antreten können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich hier immer wieder Fahrgemeinschaften zwischen den regelmäßigen Teilnehmern bilden.


Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal etwas Neues gewagt. Es war von Anfang an geplant, den ostbrandenburgischen Weg aus Frankfurt/Oder, der in Bernau endet, mit dem Wilsnack-Weg zu verknüpfen. Nur konnten wir keine befriedigende, begehbare Strecke finden. Die Gruppe Trivium (Verein für Darstellende Geschichte) aus Bernau ist 2005 und 2006 noch einen ersten Entwurf über Schönow-Oranienburg-Germendorf nach Flatow gewandert, der sich nicht bewährt hat. Im November 2012 hat Herr Benjamin Köhler an der Viadrina Universität eine Seminararbeit vorgelegt und einen Weg, der sich entlang des historischen „Bernauer Heerwegs“ orientiert, entwickelt. Hier sind jedoch noch einzelne Details der Streckenführung zu klären (Autobahn-Überquerungen!). Ein großer Vorteil ist, dass der überwiegende Teil aus vorhandenen ausgeschilderten Wanderwegen besteht. Unser Mitglied, Prof. Dr. Peter Götz, ist den Entwurf von Herrn Köhler gelaufen und hat ihn für unsere „Fastenwanderungen“ leicht angepasst. So wurden die ersten drei Etappen von Bernau nach Hennigsdorf dafür in drei etwa gleich langen Strecken von 15 km aufgeteilt, die wir jetzt im Februar gelaufen sind. Die letzte Etappe wird wieder die traditionelle von Söllenthin nach Wilsnack gepilgert – heute in einer Woche am 19. März.


Beim allerersten Mal 2007 (siehe Bericht von Elisabeth Ladewig weiter unten) wuchs die Teilnehmerzahl von 23 bei der ersten Etappe nach Flatow auf 52 plus zwei Hunden auf der letzten nach Wilsnack – obwohl die Anreise hier am weitesten war! Die Teilnehmerzahlen liegen regelmäßig zwischen 20 und 35 Personen. Dieses Jahr waren bei den ersten zwei Etappen 32 dabei, bei der dritten 45, für nächste Woche liegen bereits 47 Anmeldungen vor.


Diese Pilgerwanderungen werden von den unterschiedlichsten Menschen geschätzt: Christen beider Konfessionen, aber auch Konfessionslose; Leute die noch nie gepilgert sind, aber auch erfahrene Jakobspilger die mehrere tausend Kilometer in Spanien und Frankreich gepilgert sind – sie sagen, dass es für sie eine Möglichkeit ist, mal kurz wieder das „Camino-feeling“ aufleben zu lassen. Jedes Jahr kommen Neue hinzu, es gibt aber auch eine große Zahl von Teilnehmern, die jedes Jahr immer wieder dabei sind; es gibt welche die nur eine Etappe mitgehen, andere wiederum wollen immer alle mitpilgern.


                                                          Bad Wilsnack, den 12. März 2016



                          

                          SEHEN

                    von Rainer Oefelein (†)


Letzten Monat habe ich aus Neugier, oder vielleicht aus Eitelkeit, meine vollgestempelten Pilgerausweise zusammengesucht und die gegangenen Kilometer addiert. Es waren 4.960 km auf den Wegen vor allem in Frankreich und Spanien.

Was vor neun Jahren ganz harmlos auf den letzten 200 km vor Santiago anfing hatte sich verselbstständigt, jeder Weg ein neues Erlebnis, streng nach der Regel des hl. Augustinus: es ist besser weniger zu brauchen als viel zu haben.

Die Motivation dafür? Das erste Mal wollte ich mir wohl nur etwas beweisen, hatte Angst, keinen Platz mehr abends in der Herberge zu bekommen.

Jetzt werde ich gedrängt von der Vorfreude, wieder einmal alles loslassen zu dürfen, Kopf und Füße von der Leine der täglichen Zwänge zu nehmen und sich Natur und Wetter unterzuordnen, Vorurteile ganz von selber abzuwerfen.

Aus dem Auto zu steigen und in ein Gasthaus zu gehen ist eine Sache. Eine andere Sache ist es, nach fünf Stunden Meseta, Sturm und Regen horizontal und von vorne sich einen Glücksgefühl in einer Dorfkneipe—trocken und behaglich—auszuliefern.

Genau so intensiv empfinde ich das Erlebnis des Sehens. Sicher kann das Fahren durch eine Landschaft wunderschön sein. Verglichen mit dem Sehen bei fünf Kilometer pro Stunde bleibt es ungenau und grob. Manchmal schadet auch etwas Zwang nicht, um bei der raschen dichten Folge kultureller Highlights, Details noch aufzunehmen.

Eine ganz besondere Entwicklungshilfe für die Augen ist dabei für mich der Skizzenblock. Sich die Zeit zu nehmen genauer und länger hinzusehen.

Baukultur in die Welt zu setzen braucht Zeit—sie wirken zu lassen, nachzuvollziehen und zu verstehen auch.

Jeder Weg ist anders—Burgund und die Romanik; die Via Lemovicensis Straße der Künstler und Baumeister des Mittelalters; die Landschaft des Weges von Le Puy; Steilufer und Strände, Fischerdörfer am Küstenweg in Nordspanien; Arles; Toulouse; Moissac; die Gebirgslandschaften der Westalpen und der Pyrenäen; die heute noch lebendigen mittelalterlichen Zentren; die gotischen Juwelen—Burgos, León, Santiago.

Jeder Weg führt einem die relative Unwichtigkeit des kurzen Zeitfensters, das uns zur Verfügung steht, vor Augen.

Kontemplation und Alleinsein als Hilfe zum Sehen.

Was habe ich gesehen? Manches.

Was habe ich verstanden? Weniges.

Viel zu wenig—ich bin erst am Anfang.

 

                                        “Camino,” Heft 1, April 2009




KURZBERICHT
über die erste Gruppenwanderung auf dem neu eingerichteten
Pilgerweg von Berlin nach Wilsnack
in 6 Etappen an allen Samstagen der Fastenzeit 2007

von Elisabeth Ladewig

Mit so einer Beteiligung hatten wir in unseren kühnsten Träumen nicht gerechnet!

Begonnen haben wir die erste Etappe mit 23 Pilgern, die letzte Wanderung, bei der wir die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack erreichten, endete mit 52 Pilgern und mit 2 Hunden. Es gab einige Pilger, die nur eine Etappe mitgingen sowie auch solche, für die es Ehrensache war, bei allen Wanderungen dabei zu sein. Nach den Motiven haben wir nicht direkt gefragt, aber einige sagten ausdrücklich, daß für sie die Fastenzeit ein Anlaß war, an einem solchen Pilgerweg teilzunehmen. Die Bandbreite reichte dann wohl bis zur einfachen Wanderung, um die Natur zu erleben.

Zu Fuß unterwegs waren wir durchschnittlich 20km pro Etappe. Die Pilgerzeichen an Pfählen oder Bäumen wiesen uns den Weg. Aufgefallen ist allen die Freundlichkeit der Menschen, auf die wir unterwegs oder in den einzelnen Orten trafen. Einzelne Kirchengemeinden und auch Personen haben sich schon auf Pilger eingestellt und begrüßen diese mit Plakaten und Einladungen im Schaukasten oder – nach Möglichkeit auch persönlich. Die Kirchen wurden uns nach Anmeldung bereitwillig geöffnet und die Schätze präsentiert. Busse des Personennahverkehrs ORP brachten uns jeweils an den Ausgangsort zurück.

Da diese Pilgerwanderung neben der St. Jakobus-Gesellschaft auch von der Katholischen Kirchengemeinde Hennigsdorf organisiert und allen als Gruppenwanderung angeboten wurde, lag uns auch an einer geistlichen Begleitung. Bei jedem Start und an jedem (Etappen-)Ziel wurde eine kleine Andacht gehalten, wenn möglich vom zuständigen Geistlichen, sowohl von evangelischer (Görike und Bad Wilsnack) wie auch katholischer Seite (Bötzow, Fehrbellin, Kyritz).

Fachkundige Erklärungen erhielten wir von Herrn und Frau Oefelein, die diesen alten Pilgerweg wiederentdeckt, erforscht und ausgeschildert hatten. Obwohl wir von den Schönheiten der vielen Dorfkirchen schon etwas verwöhnt waren, beeindruckte doch das Ziel: die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack mit ihren mittelalterlichen Sehenswürdigkeiten.


 

                                                                             Foto: Jochen Purps, Bad Wilsnack


Hier empfing uns die zuständige Pfarrerin Rochusch von der evangelischen Kirchengemeinde in „ihrer“ Kirche, und Frau Malluschke von der katholischen Kirche bewirtete uns mit Eintopf, Kaffee und Kuchen auf „ihrem“ Grundstück. Selbst der Bürgermeister, Dietrich Gappa, ließ es sich nicht nehmen, die erste größere Pilgergruppe in „seiner“ Stadt freundlich zu begrüßen! Der Clou war dann das Pilgerbrot, von einer Bäckerei eigens für unsere Gruppe per Hand geformt und im Steinofen gebacken.

Ein gelungener Start für diesen neuen, alten Pilgerweg, den nun jeder für sich oder mit anderen noch einmal gehen sollte.




Auf den Spuren alter Pilgerwege

Kneipp-Wanderung am 16.06.2010

Bericht von Dr. Monika Wittig

 

35 Personen treffen sich am 16.06.2010 zur Fahrt nach Wusterhausen im Zug RE 4 Richtung Wismar, der um 09.30 Uhr vom Hauptbahnhof, Gleis 7, abfuhr. Das Umsteigen in Neustadt/Dosse klappte problemlos und bereits nach 5 Minuten Bahnfahrt von Neustadt aus  sind wir schon  in Wusterhausen /Dosse.

Noch auf dem Bahnhof Wusterhausen kläre ich die Mitwanderden über die Geschichte des mittelalterlichen Pilgern nach Jerusalem, Rom, Vézelay und Santiago de Compostela auf. Es ist geschichtliches zur Entdeckung des Grabes des Hl. Jacobus 842 n.Ch. in der muslimischen Zeit Spaniens, und es ist die Bedeutung des heiligen Jahres 2010 von Santiago de Compostela (Unterschied zum heiligen Jahr von Rom) und speziell des von 2004, in dem ich streckenweise auf dem Jacobusweg in Spanien auf dem Weg war. Und auch von Allgemeinen zum Ablauf des Pilgern berichtete ich, vom Abschied von daheim, vom Geld wechseln, Testament machen, zur Beichte gehen und von der notwendigen Ausrüstung (Hut, kürbisartiges Trinkgefäß, Stab-Stock, Tasche beschreibe ich). Der Vergleich zum heutigen Wandern liegt bei so manchen Dingen recht nah. Es gab beim Pilgern auch Gesänge und Lieder. Man ging aber auf den Pilgerweg nicht nur zu Fuß, sondern auch zu Pferd, mit Esel oder mit 2 rädrigen Wagen, der bei den oft schlechten Straßen ein gutes Gefährt war. Es gab viele Gefahren auf dem Pilgerweg, so gab es Hilfen von der St. Christophorus Bruderschaft in den Pyrenäen und Alpen bei Schnee und Eis, oder Hilfe durch die Tempelritter gegen Räuber am Weg.

Neben dem St. Jacobus als Patronat der Pilger und der Fischer gibt es noch den St. Christopherus und St. Rochus als Patronat von Pilger und Reisenden, aber auch der  Bergsteigern, Fährmänner bzw. Ärzten und Apotheker.



                          Wegemarkierung                Foto: Dr. M. Wittig                 


Da der Pilgerweg nach Wilsnack jedoch nicht am Bahnhof vorbei führt, gingen wir erst einmal durch Wusterhausen zur Stadtkirche St. Peter und Paul. Wir gehen vorbei an alten Fachwerkhäusern auf den dreieckig angelegten Marktplatz, der mit dem spätklassizistischen Rathaus und der Stadtkirche auf einer Anhöhe endet. Die Kirche wirkt mit ihrem riesigen Dach und dem zu kurz geratenen Kirchturm auf uns. Ein vorher bestellter Mitarbeiter des Heimatmuseums erklärt uns, dass der höhere Kirchenturm einem Blitz zum Opfer fiel. Die Führung durch die Kirche und die Erläuterungen der ehemaligen Salz- und Schusterstadt war sehr interessant für uns alle.

Gleich in der Nähe der Kirche klebten an einer Straßenlaterne 2 kleine Schildchen, ein blaues mit gelben Strahlen und ein weißes mit 3 orange-roten „Talern“ auf einem Dreieck (3 große rote Punkte sind es oft nur - Hostien sind es). Das sind ab sofort unsere Wegmarkierungen. Wir wandern jetzt erst einmal los, auf dem Pilgerweg, der von Osten kommend nach Norden hier an der Kirche vorbeizieht.

Bei herrlichem blauen Himmel, Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad Celsius und überall kräftiges Grün gehen wir den Wegezeichen folgend durch den Ort über eine kleine Brücke, die über die Dosse führt, auf einem Weg durch eine Gartenkolonie zum Klemposee, der am Beginn einer 18km langen Seenkette mit Unter-, Ober-, Salz- und Borkersee liegt. Es geht vorbei an einem Wasserrad, Bootshäuser und Gaststätten am Klemposee.



       Am Klempowsee                                                            Foto: Dr. M. Wittig


Wir machen aber erst Wanderpause an einem mit 2 Holztischen und 4 Bänken ausgestatteten Rastplatz und schauen von hier zurück nach Wusterhausen und sehen nur noch die Stadtkirche im Grün der Umgebung.

An diesem Rastplatz erinnere ich mich wieder deutlich an die 30 km langen Pilgeretappe von Manker nach Kyritz, als ich vom 20. bis 25. Juli mit einer 14 köpfigen Gruppe der St. Jakobus-Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V. auf dem Pilgerweg von Henningsdorf nach Bad Wilsnack unterwegs war. Hier waren wir noch 10 auf dem Weg, weil 4 den Bus bzw. per Anhalter nach Kyritz gelangten.

Nachdem heute dann alle sich gestärkt hatten, getrunken hatten, erläuterte ich den Mitwanderer die Entstehung und Bedeutung der Wegemarkierungen und die Bedeutung von Pilgerzeichen. Da sind die gelbe  Jacobsmuschel und die gelben Wegestrahlen auf blauen Grund, in Spanien auf dem Weg auch der gelbe Pfeil. Ich erzähle die Geschichte der Bluthostien in Wilsnack und den schon vor hunderte von Jahren entstandene Pilgerzeichen aus einer Blei-Zinn-Legierung, welches weit nach Westeuropa verbreitet wurde. Auch von den Pilgerzeichen auf den Brandenburger Glocken berichtete ich, speziell von denen an den Glocken von Manker sowie der wissenschaftlichen Arbeit des Vorstandes der St. Jakobus-Gesellschaft Berlin-Brandenburg e.V.. Auch heute bringen die Menschen von Reisen sich Erinnerungsstücke mit. Ich berichte auch von den verschiedensten Pilgergaben und Pilgergeschenke an die Kirche. Wir hatten vereinbart, dass für die Führung in der Wusterhauser-Stadtkirche jeder individuell für die Kirche eine Geldspende abgibt. Früher gab es so genannte Wachsgeschenke für die Kirche, Kerzen, damit es in der Kirche hell ist, es Licht gibt. Heute haben wir elektrisches Licht für die Helligkeit im Raum und die Menschen entzünden Kerzen heute aus den verschiedensten Gründen.

Ich weise darauf hin, dass heute bei der Wanderung jeder s e i n Tempo gehen sollte, man solle nicht der Wanderspitze hinterher jagen, wie sonst üblich. Es sind überall an den Bäumen die Wegezeichen vorhanden. Jeder sollte die Natur erleben, sich umschauen oder in sich kehren, so wie er möchte. Aber wenn einem halt so ist, kann man auch mit Freunde reden und sich gedanklich austauschen.

Dann gehen wir weiter bis zur Kyritzer Badeanstalt, vorher vorbei an Anglervereinshäuser und Bootshäuser.

Hier am Schild –Kyritz 3,1km- denke ich wieder an den 30km-Weg von 2009, hier gingen nur noch die Beine automatisch, der Geist war schon ausgeschaltet.

Heute war es dagegen erholsam und einfach schön, ich habe heute so richtig die Natur, den See, den Wald, die Vögel und die Menschen um mich herum wahrgenommen.

Allerdings habe ich von den angefertigten Wegezeichen mit dem Fisch und der Muschel kein Exemplar mehr gesehen, Souvenirjäger gibt es überall.

Auf einem großen Spielplatz rechts des Weges, einem kleinen Freilufttheater, wurde  erneut pausiert.

Wir sprechen noch einmal über die Bedeutung des Pilgern und Wandern in der heutigen Zeit, der kulturellen Neugier, Reisen bildet, das Verstehen der Religionen (Reconquista, weißes Pferd mit Jakobus), über die alten Handels- und Postwege und den heutigen Wegen, auf denen wir, Pilger und Wanderer unterwegs sind, auch im sinne der Ökumene.

Der Weg nach Kyritz führt entlang einer wenig befahrenen Straße, neben dem Radweg, noch hinter Bäumen und Sträucher. Bald erreichen wir Straßenbauarbeiten und sehen, dass aus dem angenehmen Sandweg ein Gehweg mit Steinplatten gefertigt wird. Ja, wir sind halt in einer Stadt.

Es geht dann, wir sind schon einzelne kleinere Gruppen, über eine verkehrsreiche Straßenkreuzung zum Fluss. Auf der Brücke und unter den Schatten gebenden Bäumen warten die Ersten bis die Letzten dieses Ziel erreicht haben. Wir müssen uns hier nicht waschen, wie es viele der Santiago de Compostela Pilger vor eintreffen in der Stadt taten. Ist dieser Fluss nun die Knatter oder die Jäglitz? Kyritz an der Knatter liegt an der Jäglitz und das Knattern erzeugten früher die Mühlen am Fluss.

An der Stadtmauer , die eigentlich kaum noch alt ist, sondern neu gemauert, geht es nordwärts  zur Holzhauser Str. und von hier zur evangelischen Pfarrkirche St. Marien mit der Doppelturmfront nach Plänen von Stüler. Die Kirche st heute offen (ich hatte gestern die Kirchengemeinde darum gebeten).

Dann schwärmen alle über den Marktplatz aus, 50 Minuten Schauen in den Straßen von Kyritz, Kaffee trinken, Eis essen. Vorher verweise ich aber noch auf den wunderschönen Brunnen auf dem Marktplatz und auf die Figur mit dem Kopf und Schwert am Boden des Brunnen. Es ist die Sage des Ritters Bassewitz, der zur Eroberung der Stadt einen Tunnel gegraben hatte, jedoch als er in die Stadt wollte übergossen ihn die Kyritzer Frauen mit heißer Grütze, damit dargestellt.

Ich setze mich in ein Cafe, von dem ich direkt auf das Hotel Blum schauen kann, dass ich auf der Mammutstrecke 2009 mit Freudentränen und viel Stolz auf mich selbst, völlig erschöpft, erreicht hatte, aber eine Stunde später saß ich schon mit meinen Mitpilgern vor dem Hotel bei einem Erfrischungsgetränk.

Pünktlich 15 Minuten vor Abfahrt des Zuges nach Neustadt/Dosse waren alle 35 Wanderer auf dem Bahnsteig des Bahnhofes Kyritz. Nach 5 Minuten Bahnfahrt stiegen einige Wanderfreunde aus, es war aber erst Wusterhausen, die Schaffnerin schickte aber diese dann schnell wieder in den Zug. Ich habe das gar nicht so richtig mitbekommen, da ich mit dem Rücken zur Zugtür saß. Der RE4 nach Jüterbog über Berlin hatte etwas Verspätung, aber wir kamen an diesem schönen Sonnentag alle gut wieder in Berlin an, und ich freute mich über dieses und jenes Danke schön.